Anpassung an einen nicht anpassungsfähigen Zustand ist leider genau das, was Klimaschutz-Bremser momentan vermehrt in die öffentliche Diskussion einbringen. Prominent geschah dieses in den letzten Wochen in zwei meinungsbildenden Talkshows; durch den Talkshow-Master Markus Lanz im Gespräch mit einer Klima-Aktivistin von der letzten Generation1 sowie bei Sandra Maischberger durch die WELT-Chefreporterin Anna Schneider2. Nun könnte man fast darüber lachen, dass gerade besonders veränderungsunwillige Menschen, die jede Klimaschutzmaßnahme für einen Eingriff in ihre persönliche Freiheit halten, sich an eine 3-4 Grad wärmere Welt anzupassen gedenken. Dennoch muss man diese Erzählung ernst nehmen, denn sie ist extrem problematisch:
Anpassung an die Erderhitzung ist nur in begrenztem Maße möglich
Wie schon angedeutet, ist sie (weitestgehend) falsch. Anpassung an die Erderhitzung ist nur im begrenzten Maße möglich. Berechnungen zeigen, dass die aktuelle Politik der Staaten die Erde auf +2,8 Grad in 2100 erhitzen wird und auf +2,5 Grad bei aktueller Einhaltung aller Versprechungen. Bei diesen Berechnungen sind allerdings die Kipp-Punkte noch nicht einbezogen, so dass mit einer noch viel stärkeren Erwärmung zu rechnen ist.3 Schon bei der derzeitigen Erhitzung von 1,2 Grad gegenüber vorindustrieller Zeit passieren Klimakatastrophen gigantischen Ausmaßes, z. B. die riesigen Waldbrände in Australien 2019, das Hochwasser im Ahrtal im letzten Jahr oder die aktuelle Dürre in Ostafrika. Auf einer um 3 Grad erhitzten Erde wären weite Teile unbewohnbar, was ca. 3,3 Milliarden Menschen beträfe. Wasser- und Nahrungsversorgung wären gefährdet und globale Konflikte und Kriege sehr wahrscheinlich. Dazu Professor Stefan Rahmstorf, Klimaforscher am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung: „Ich bin nicht sicher, ob das halbwegs zivilisierte Zusammenleben der Menschen, wie wir es kennen, unter diesen Bedingungen noch Bestand haben wird. Ich halte eine 3-Grad-Welt für eine existenzielle Gefahr für die menschliche Zivilisation.“4
Das bedeutet nicht, dass wir nicht über Anpassung an Extremwetterereignisse sprechen müssen. Längst können wir die Klimakrise nicht mehr verhindern, sondern sie nur noch eindämmen. Deswegen ist es extrem wichtig, sich gegen kommende Extremwetterereignisse bestmöglich zu wappnen. Hier offenbart sich eine der Ungerechtigkeiten der Klimakrise: Die durch die Nutzung fossiler Energien reich gewordenen Industrieländer haben zunächst mehr Möglichkeiten, die Folgen der Klimakrise für ihre Bevölkerung abzumildern. In Bangladesch stand z. B. im Sommer 2020 ein Drittel des Landes durch eine Flutkatastrophe unter Wasser. Bangladesch ist ein Küstenstaat, liegt im Delta dreier großer Flüsse und zu weiten Teilen nur knapp oberhalb des Meeresspiegels. Im Gegensatz zu den Niederlanden, die zu einem Großteil unterhalb des Meeresspiegels liegen, sind sie aufgrund ihrer Armut nicht gegen Sturmfluten gewappnet, da sie keine hocheffizienten Deich- und Hochwasserschutzsysteme besitzen.5
Die Forderung nach Anpassung dient dazu, notwendigen Klimaschutz zu verhindern
Dem Argument der Anpassung liegt meistens die Motivation zugrunde, die notwendigen, effektiven Klimaschutzmaßnahmen zu verhindern. Es suggeriert, die Klimakrise könne ja nicht so gefährlich sein, wenn eine Anpassung möglich ist. Dieses verfängt, da laut einer repräsentativen Studie der Allianz nur 16,4 Prozent aller Deutschen wirklich über das Ausmaß der Klimakrise informiert sind.6 Das Wissen um die Gefahr durch die Klimakrise ist aber die erste Voraussetzung, um sich für die Zukunft unserer Kinder einzusetzen.
Ja, wir brauchen Maßnahmen, um uns den bereits unausweichlichen Veränderungen anzupassen. Wir müssen die Wälder umbauen und Regenwasser zurückhalten. Aber die Behauptung, wir könnten die Erderhitzung einfach „laufen lassen“ und uns anpassen, oder es sei ohnehin zu spät, ist hoch gefährlich.