Kommentar

Desinformation wirkt – Wie Lobbys mit falschen Versprechungen den Wandel bremsen

Thorsten Barth
Gründungsmitglied
In den letzten Monaten konnten wir besonders eindrucksvoll erleben, wie vehement – und leider auch wie wirksam – der Lobbyismus der Fossilisten auf allen Ebenen betrieben wird und wie er mit billigem Populismus aus den Reihen der Politik Hand in Hand geht. Wiederum werden massive Hetzkampagnen – auch gegen Personen – gefahren, allen voran von Axel Springer und anderen kommerziellen Medien, aber auch von populistischen Politikern.
Weiße Gasheizung in einem Einfamilienhaus
Gasheizungen sind umweltschädlicher als behauptet wurde.

Die genannten Begriffe wie „Technologieoffenheit“ klingen durchaus positiv und vernünftig – doch dahinter stecken oft perfide Strategien, um die Menschheit möglichst lange in der Abhängigkeit von fossilen Energien zu halten, Zukunftspolitik als Ganzes lächerlich zu machen und die Akzeptanz in der Bevölkerung zu schwächen. Falsche Versprechen, die in Wahrheit nur dazu dienen, den technologischen Umbruch zu verlangsamen, kennen wir ja schon lange. Beispielsweise warten wir seit Jahrzehnten auf den Fusionsreaktor, der stets „in 20 bis 30 Jahren“ alle Energiefragen löst. Und durch das ewige Warten auf bezahlbare Wasserstoffautos wurde der Umstieg auf Elektroantriebe aufgehalten.

Ich greife hier einige Themen auf, die neben den Dauerbrennern Elektromobilität, Windkraft oder auch der Energiewende als Ganzes die öffentliche Debatte besonders prägen:

Das erste falsche Versprechen: eFuels

Wer etwas von Physik versteht, weiß: Ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor benötigt rund 4 mal soviel Energie, wie eines mit Elektroantrieb – und mit eFuels wird sogar die 5- bis 6-fache Menge an elektrischer Energie benötigt. Weltweit gibt es bis heute kleinere Test-Anlagen zur Herstellung der synthetischen Kraftstoffe. Um sie in größeren Mengen herzustellen, bräuchte man große industrielle Anlagen, die Strom aus gigantischen Wind- und Solarparks beziehen. Wind- und Solarparks, die um den genannten Faktor 6 effektiver genutzt werden könnten, um in den jeweiligen Ländern direkt sauberen Strom ins Stromnetz einzuspeisen und Kohle- und Ölkraftwerke abzulösen.

Ein Blick in die Welt zeigt auch, dass Elektroautos auf dem Vormarsch sind. Wie kommt es dann, dass eFuels vor allem von FDP-Politikern als „vernünftige“ Alternative zu Elektrofahrzeugen angepriesen werden und vehement auf „Technologieoffenheit“ gepocht wird? Lock-In-Effekte sind eine Erklärung: Jedes Verbrennerfahrzeug, das aufgrund von falschen eFuels-Versprechungen bestellt wird, sorgt dafür, dass z.B. bei 250.000 km Laufleistung und 6 Liter Verbrauch ganze 15.000 Liter Kraftstoff verkauft werden: Sichere Profite für Ölkonzerne und -länder. Und Automobilzulieferer können noch ein paar Kolbenringe und Turbolader bauen. Vielleicht freut sich auch Lindners historischer 911er schon auf eFuels?

Egal, jedenfalls handelt es sich um ein hervorragendes Beispiel dafür, wie politischer Populismus mit knallharter Politik für bestimmte Lobbys und gegen die Interessen der Bevölkerung einher gehen.  

Das Team des Faktencheck-Blogs „Volksverpetzer“ um Thomas Laschyk hat sich eingehend mit dem Thema beschäftigt und nennt dort auch Quellen und Fakten. Ich greife also hier auf seine Arbeit zurück und verlinke zwei Artikel:

Das zweite falsche Versprechen: Atomkraft

Beim Atomausstieg sehen wir ähnliche Muster. Dieser wurde 2011 von CDU/CSU und FDP beschlossen und fast vollständig vollzogen. Bis 2019 wäre es noch möglich gewesen, die Laufzeit der letzten 3 Kraftwerke zu verlängern – was fürs Klima auch sinnvoll gewesen wäre. Aber ausgerechnet, als es dafür zu spät war, forderten ausgerechnet die gleichen Parteien lautstark eben diese Verlängerung. Die Atomlobby sprach sogar über den Bau neuer Atomkraftwerke. Auch hier kamen Falschinformationen zum Einsatz, beispielsweise die Behauptung, dass Atomstrom preisgünstig sei, oder dass Deutschland auf französischen Atomstrom angewiesen sei. Leider ist Atomenergie jedoch nicht nur riskant und das Müllproblem ungelöst. Atomstrom ist auch unwirtschaftlich teuer, die weltweiten Uranvorräte sind begrenzt und der Bau eines Atomkraftwerks kann schon mal 10 bis 15 Jahre dauern. Zudem können Atomkraftwerke nur schlecht in ein modernes Energiesystem integriert werden, da ihre Leistung schlecht regelbar ist. Das bewusste Weglassen von Fakten und die Komplexitätsreduzierung sind Merkmale, die wir in populistischen Kampagnen immer wieder beobachten. Alternativen wie z.B. ein schneller Ausbau von Windkraft, Photovoltaik und Energiespeichern werden ignoriert.

Auch zum Atomausstieg gibt es beim Volksverpetzer einen Faktencheck, in dem alle weiteren Quellen genannt werden:

Das dritte falsche Versprechen: Die Wasserstoffheizung („H2-Ready Gasheizung“)

Auch bei der Gebäudewärme lohnt sich zunächst ein Blick auf die Physik. Es ist klar, dass immer dann, wenn etwas verbrannt wird, die gesamte Energie aus dem Brennstoff kommt, während eine Wärmepumpe die Energie lediglich transportiert und dafür nur einen Bruchteil der Energie braucht – bei modernen Geräten 20 bis 35% über das ganze Jahr.

Selbstverständlich ist dies abhängig vom verwendeten Gerät und vom Zustand des Gebäudes. Aber es funktioniert auch im Altbau und auch mit Heizkörpern. Und es gibt auch Lösungen für Mehrfamilienhäuser und Nahwärmelösungen für ganze Wohnblocks. All dies ist bereits heute in den meisten Fällen günstiger als Öl oder Gas. Zudem können vor allem Hausbesitzer im ländlichen Raum einen nicht unerheblichen Teil über eine PV-Anlage auf dem Dach decken und damit ihre Kosten weiter senken. Für Ein- und Zweifamilienhäuser gibt es z.B. den Online-Wärmepumpenberater des EE Mag und den Wärmepumpenrechner von Stefan Holzheu und Andreas Schmitz.

Woher kommt also auch hier wieder die vehemente Forderung nach Technologieoffenheit? Warum bringt beispielsweise eine Expertin wie Frau Messari-Becker in Shows wie Anne Will oder Markus Lanz Vorschläge, die physikalisch und wirtschaftlich weitaus weniger Sinn machen, wie z.B. sündhaft teuer selbst erzeugten Wasserstoff in Gasheizungen zu verbrennen? Warum verpassen die Medien so oft die Chance, die Bevölkerung darüber zu informieren, dass Wärmepumpen auch im Altbau und mit Heizkörpern betrieben werden können, auf kostengünstige Dämmmaßnahmen und qualitativ hochwertige Energieberatung hinzuweisen?

Währenddessen treibt vor allem im bayrischen Wahlkampf der Populismus Blüten, bei denen Fremdscham angebracht wäre. Beispielsweise reitet Hubert Aiwanger seit Wochen auf Holzheizungen herum und suggeriert damit, dass es möglich sei, sämtliche Öl- und Gasheizungen in Deutschland durch Holzheizungen statt beispielsweise durch Wärmepumpen und kommunale Nahwärmekonzepte zu ersetzen. Man stelle sich nur einmal die enormen Mengen an Holz vor – und die Auswirkungen auf die Luftqualität. Willkommen im 19. Jahrhundert!

Übrigens: Das geplante Gebäudeenergiegesetz war von Beginn an technologieoffen. Es schreibt einen Mindestanteil an erneuerbaren Energien für neue Heizungen vor, aber nicht, wie dieser erreicht wird. Wer also gerne mit selbst erzeugtem Wasserstoff heizen will, darf dies tun. Alleine die Forderung nach Technologieoffenheit beinhaltet also bereits die erste Lüge.

Die Hintergründe liegen auch hier auf der Hand: Die Fossil-Industrie hat großes Interesse daran, mentale und technische Lock-In-Effekte zu erzeugen:

  • Wer den Kampagnen auf den Leim geht und sich in Torschlusspanik noch eine Gasheizung einbauen lässt, wird wohl noch bis 2045 Gas verbrennen – und in den meisten Fällen Jahr für Jahr draufzahlen und dadurch die Profite der schädlichen Öl- und Gasindustrie sichern.
  • Dringend erforderliche Veränderungen und vernünftige Lösungen werden durch die Kampagnen als Unsinn diffamiert. Vernunft, wirtschaftliches Denken – und die Zukunft unserer Kinder – werden aufs Neue politischen Machtinteressen geopfert.

Weiterführende Artikel dazu:

Der Spiegel erklärt die physikalischen Grundlagen: Wer verbrennt, verschwendet – Thermodynamik in der Energiedebatte

Der Volksverpetzer macht wiederum den Faktencheck und enttarnt so die Lügen und Machtinteressen hinter den Kampagnen:

Energie-Experte Klaus Müller analysiert treffend das Medienversagen, thematisiert jahrelange „False Balance“ und die Notwendigkeit, dass Medienmacher:innen sich in Fachthemen bilden sollten, um eine Vereinnahmung durch Lobbyist:innen zu vermeiden: Die falsche Expertin der Anne Will – Lamia Messai-Becker.

Und darüber, dass es alles andere als nachhaltig ist, jetzt noch neue Holzheizungen zu installieren, kann man ja genug lesen, hier ein aktueller Artikel aus der Geo.

Die Macht der Gaslobby

Im Februar erschien die Studie von LobbyControl „Pipelines in die Politik – Die Macht der Gaslobby in Deutschland“. Wer etwas über die Beziehungsnetzwerke und Einflüsse der Gaslobby erfahren möchte, sollte die Studie lesen. Die Gaslobby führt im Schnitt täglich ein Abgeordnetengespräch alleine auf Bundesebene. Und über den Verband „Zukunft Gas“ wurden auch noch viele Stadtwerke und regionale Energieversorger selbst zum Teil der Lobby gemacht. Sie beteiligen sich an Werbemaßnahmen für Gas und finanzieren die Lobbytätigkeit durch Verbandsbeiträge sogar mit. Letztendlich zahlen die Endkunden die Zeche!

Genug für heute!

Das waren nur einige von vielen Beispielen. Für mich sind sie eine Bestätigung dafür, wie wichtig unser Ziel ist: Politische Entscheider:innen, Medienmacher:innen und die Gesellschaft als Ganzes widerstandsfähig gegen Desinformationen, Hetze und falsche Versprechungen zu machen – unter anderem durch das Vermitteln von Medienkompetenz, durch gut verständliches Fachwissen, durch Serviceangebote wie z.B. Bürgerenergieberatung, sowie durch Faktenchecks und das schonungslose Aufdecken von Machtinteressen.

Wir hoffen, dass wir diese Arbeit zukünftig, mit Ihrer Unterstützung und gemeinsam mit Partnern, auf eine professionelle Basis stellen können.

P.S. Bürgernahe Beratung und ehrenamtliches Engagement gibt es im Energiebereich z.B. schon bei der Photovoltaik. Der Verein Metropolsolar führt beispielsweise im ganzen Bundesgebiet Schulungen für ehrenamtliche Photovoltaikberater:innen durch, die dann regionale Beratungs-Gruppen aufbauen. Die Initiative Solarcamps For Future bildet mit Schulungen angehende Photovoltaik-Hilfskräfte aus, die angestellt oder auch ehrenamtlich mit anpacken.

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Thorsten Barth
Gründungsmitglied
Thorsten Barth ist erfolgreicher Unternehmer, Vater einer glücklichen Patchworkfamilie und bringt Erfahrung aus den Bereichen Kommunikation, (Online-)Marketing, Informatik, sowie Klima und Energie ein. Neben Zukunft für Kinder engagiert er sich u.a. bei den Parents For Future, im Landesarbeitskreis Energie des BUND Hessen und ist Mitinitiator der ehrenamtlichen Photovoltaikberatung „Solarinitiative Wetterau“.