Diese immer wieder bemühte Erzählung verfängt bei Teilen der deutschen Bevölkerung gut. Wer möchte als Erwachsener schon gerne Adressat von Erziehungsmaßnahmen werden?
Da lässt die normale Reaktion auf Zwang dann auch nicht lange auf sich warten: „Grüne Erziehungsmassnahmen. Aus Trotz ein Steak. Im Flieger“1, so formulierte es die Spiegel-Kolumnistin Bettina Gauss. Eigentlich weiß sie um die Klimakrise und den Fakt, dass ihre Bekämpfung Veränderungen in allen Lebensbereichen notwendig macht. Aber wenn die Grünen so moralinsauer daher kommen, dann lieber mit SUV und protziger Villa in den Untergang, so scheint ihr Credo zu lauten. Sie tut so, als sei es dann irgendwann ein besonders erhebendes Gefühl, sich in einer 3 Grad wärmeren, vor Katastrophen ächzenden Welt gegenseitig zu bestätigen, man habe es den Grünen jetzt aber mal so richtig gezeigt. Das grüne Entscheidungsträger gerade der Klimabewegung zeigen, dass auch mit ihnen der notwendige Klimaschutz nicht machbar ist, sei jetzt mal ein anderes Thema. Halten wir fest: Das Verhalten von Frau Gauss ist ziemlich infantil.
Die Strategie ist aber genial: Plötzlich ist nicht mehr die Klimakrise die eigentliche Gefahr, sondern die Klimaschutzmaßnahmen, denn durch sie droht der (vermeintliche) Freiheitsverlust. Um diesen abzuwenden, ist man dann geradezu gezwungen, weiterhin in der klimapolitischen Untätigkeit zu verharren. Aus dem gemeinsamen Kampf um den Erhalt unserer Lebensgrundlagen wird ein polarisierender Kulturkampf. Besser geht es nicht für die Fossillobby.
Als Erziehungswissenschaftlerin finde ich diese Erzählung aber durchaus interessant. Schauen wir uns doch einmal an, was Erziehung bedeutet:
Ganz grob versteht man darunter die pädagogische Einflussnahme auf die Entwicklung und das Verhalten Heranwachsender. Die Politik versucht natürlich auch, Einfluss auf Meinungen und Verhalten ihrer Bürger zu nehmen. Dieses ist keineswegs auf grüne Politik beschränkt, sondern gilt für Politik jeglicher Coleur. Denn was, wenn nicht Einflussnahme, ist beispielsweise die Etablierung eines Freiheitsbegriffes, bei dem alles Schädliche und Destruktive als Erstrebenswert hochgejazzt wird?
Erziehung bedeutet außerdem, sich auf bestimmte Regeln zu einigen, wie man miteinander umgeht, das ist im Jugendfreizeitheim vielleicht gar nicht so anders als in der Gesellschaft. Diese Regeln dienen dazu, dass es jedem gut geht, heute und in Zukunft. Lehnt man jetzt vehement mehr Regeln – sprich mehr Ordnungspolitik – ab, dann sollte man sich doch wenigstens eingestehen, dass wir mit der derzeitigen Politik die ökologischen Krisen nicht in den Griff bekommen. Man müsste zumindest andere überzeugende Konzepte vorlegen, wie man die Klimakrise und das Artensterben eingedämmt bekommt. Der Zwang geht dabei weniger von regelbesessenen Grünen oder Klimaaktivisten aus, sondern von den physikalischen Systemen selber.
Die Steigerungsform der vermeintlichen staatlichen Erziehungsmaßnahmen ist übrigens die Ökodiktatur. Sie ist das herauf beschworene Schreckgespenst der Klimaschutzbremser, der letzte Trumpf derjenigen, die schon lange den wissenschaftlichen Konsens hinter sich gelassen haben.
Was dieser Begriff vor allen Dingen ist: ein Hohn für alle Menschen, die wirklich unter Diktaturen leiden. Und es sei einmal ganz klar gesagt: Die Forderung nach einem Wirtschaftssystem, das die natürlichen Grenzen unseres Planeten achtet, ist keine Ökodiktatur. Unsere derzeitige Demokratie hat immense Defizite, da Konzerninteressen über die lebenswerte Zukunft unserer Kinder gestellt werden. Ändern wir das. Es bleibt uns nicht mehr viel Zeit.