Sehen wir uns also einmal an, was Winfried Kretschmann, grüner Ministerpräsident von Baden-Württemberg, zum Tempolimit sagte: „Ob wir ein Tempolimit umsetzen oder nicht, ist für den internationalen Kampf gegen den Klimawandel völlig irrelevant – auch wenn ich persönlich schon immer ein Befürworter des Tempolimits war.“1 Beifall gab es – nicht weiter verwunderlich – vor allen Dingen von liberaler Seite.
In dieser Logik hätte ich als Studentin keine einzige Hausarbeit geschrieben. „Ob ich mich in dieser Hausarbeit mit der Montessori-Pädagogik auseinandersetze oder nicht, hätte ich in Kretschmann-Manier zu meinem Dozenten gesagt, ist für das Erreichen meines Abschlusses völlig irrelevant.“
Die Eindämmung der Klimakrise ist eine gewaltige Kooperationsleistung zwischen allen Ländern dieser Welt, die in unterschiedlichen Sektoren viele Einzelmaßnahmen beschließen müssen. Kein einzelnes Land, keine einzige Maßnahme wird uns dementsprechend retten, aber jedes Land und jede Maßnahme ist für das Erreichen des Gesamtziels wichtig. Für viele der notwendigen Klimaschutzmaßnahmen bedarf es gewaltiger Anstrengungen. Für das Tempolimit bedarf es nur Politiker, die nicht ideologisch im letzten Jahrhundert stecken geblieben sind.
Kurz zu den harten Fakten des Tempolimits
Vor kurzem erschienen neue Berechnungen zum Tempolimit im Auftrag des Umweltbundesamtes. Sie ergaben, dass ein Tempolimit 120 deutlich mehr CO2 einsparen würde als bisher angenommen, nämlich 6,7 Millionen Tonnen statt wie bisher angenommen 2,6 Millionen Tonnen. Dieses würde eine Reduzierung der Emissionen im deutschen Straßenverkehr um 4,2 Prozent bedeuten.2
Es wäre eine gute und einfache Möglichkeit für Verkehrsminister Wissing, die gesetzlich vorgeschriebenen Ziele zur Emissionsminderung im Verkehrssektor zu erreichen. Aber was man so tut in der Partei der selbsternannten Leistungsträger, wenn man seine Ziele nicht erreicht: Man liefert ein Sofortprogramm zur Emissionsminderung, das der Expertenrat für Klimafragen gar nicht tiefgehender prüfte, so offensichtlich unzureichend war es. So geschehen im letzten Sommer.3
Desweiteren gab die FDP selber ein Gutachten zum Tempolimit auf, das Ergebnis dürfte nicht weiter überraschen: Die Einsparungen seien weitaus geringer als vom Umweltbundesamt ermittelt. Es handle sich bei Tempo 120 auf Autobahnen maximal um 1,1 Millionen Tonnen CO2. Das Gutachten erhielt keine Modellierungen; mit einem einfachen mathematischen Dreisatz wurden die CO2-Einsparung geschätzt. Die Autoren der Studie: zwei fachfremde Professoren für Wirtschaftswissenschaften ohne Expertise in Emissionsmodellierungen – dafür lehrt aber der eine an der von der Automobilindustrie geförderten Zeppelin Universität in Friedrichshafen.4
Rückenwind für den klimaschädlichen Kurs der FDP im Verkehrssektor gibt es jetzt von der Ampel: Sie beschloss vor kurzem, die jährlich verpflichtenden Sektorziele aufzulösen. Zielverfehlungen in einem Sektor können dann in einem anderen ausgeglichen werden, insgesamt sollen auch eher langfristige Zielvorgaben gesetzt werden.5 Es steht zu befürchten, dass dies fatale Konsequenzen für den Klimaschutz haben wird. Für den Verkehrssektor bedeutet es wohl: Tempolimit ade, dafür mehr Tempo bei dem Ausbau von Autobahnen.
Ich beende jetzt diese Kolumne und gehe zur Fridays for Future Demo anlässlich des FDP-Parteitages in Berlin, im Gepäck die Rote KlimaKarte. Denn dieses Foulspiel zu Lasten unserer Zukunft sollten wir der FDP nicht durchgehen lassen.